BGH, Urteil vom 18. 6. 2015 – I ZR 74/14

Eine Haftung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten scheidet aus, wenn der Webseitenbetreiber es weder darauf angelegt hat, Besucher seiner Internetseite zu bestimmten erkennbar irreführenden Aussagen auf der Webseite zu führen, noch angenommen werden kann, dass diesem klare Rechtsverletzungen innerhalb des Internetauftritts bereits bei der Abmahnung bekannt gewesen sind oder er solche für ihn in zumutbarer Weise leicht erkennbar waren. Der Umstand, dass das Setzten des Links eine geschäftliche Handlung darstellt, begründet allein keine Haftung für die Inhalte einer über einen Link erreichbaren Internetseite.

Der Beklagte ist Facharzt und warb auf seiner Internetseite unter der Überschrift „Implantat-Akupunktur“ für eine Behandlung. Am Ende des Textes befand sich für „weitere Informationen auch über die Studienlage“ ein elektronischer Verweis (Link) zur Startseite, dem Internetauftritt des Forschungsverbands.

Auf den über diese Startseite erreichbaren Unterseiten waren Aussagen zum Anwendungsgebiet und zur Wirkung der Implantat-Akupunktur abrufbar, die der Kläger für irreführend hält. Nach Abmahnung durch den Kläger entfernte der Beklagte den Link von seiner Internetseite. Er gab jedoch keine Unterlassungserklärung ab.

Der Beklagte wirbt auf seiner Internetseite für die von ihm in seiner Praxis angebotene Behandlungsmethode der Implantat-Akupunktur. Der Beklagte hat sich eigene weiterführende Darstellungen erspart, indem er den Nutzern seiner Internetseite mit dem Link am Ende der Ausführungen zur Implantat-Akupunktur „weitere Informationen auch über die Studienlage“ anbot. Durch den Link hat der Beklagte die fremde Internetseite für seinen eigenen werblichen Auftritt genutzt.

Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit der dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dienenden Marktverhaltensregelung des § 3 HWG zu, weil der Beklagte für etwaige wettbewerbs-widrige Inhalte auf der Internetseite des Forschungsverbands nicht haftet. Da die Abmahnung unbegründet war, kann der Kläger auch keine Erstattung von Abmahnkosten verlangen.

Der Beklagte hat sich die unter der Internetseite hinterlegten Inhalte nicht in einer Weise zu Eigen gemacht, dass der Verkehr sie ihm zurechnet (vgl. BGH, GRUR 2010, 616 Rn. 23 marions-kochbuch.de; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 2.27).

Wer sich die fremden Informationen zu Eigen macht, auf die er mit Hilfe eines Hyperlinks verweist, haftet dafür wie für eigene Informationen (vgl. BGH, GRUR 2008, 534 Rn. 20 ueber18.de). Maßgeblich für die Frage, ob sich der Unternehmer mit seinem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte zu Eigen macht, ist die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 I ZR 166/07). Der elektronische Verweis ist nicht wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells des Beklagten. Über ihn sind auch keine Inhalte zugänglich, in denen offen oder versteckt für die Produkte des Beklagten geworben wird. Der Link dient ferner weder zu einer Vervollständigung des eigenen Behandlungsangebots des Beklagten (vgl. Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 751) noch ist er so in einen redaktionellen Beitrag auf der Internetseite des Beklagten eingebettet, dass er für das weitergehende Verständnis dort geäußerter Meinungen oder Ansichten erkennbar von Bedeutung und dadurch Bestandteil der vom Beklagten auf seiner Internetseite bereitgestellten Inhalte geworden ist. Maßgeblich ist, dass es sich bei dem vom Beklagten gesetzten elektronischen Verweis nicht um einen sogenannten Deeplink handelt, der direkt zu allen oder einzelnen der vom Kläger beanstandeten Aussagen führt, sondern lediglich um einen Link zu der als solcher unbedenklichen Startseite des als Forschungsverband bezeichneten Vereins. Die beanstandeten Inhalte werden dem Internetnutzer also nicht schon durch einfaches Klicken auf den vom Beklagten bereitgestellten Link zugänglich, sondern erst durch weiteres unabhängiges und vom Beklagten nicht gelenktes Navigieren innerhalb des Internetauftritts.

Vielmehr wirke der Link nach der vorangestellten Ankündigung von „Informationen auch über die Studienlage“ eher wie der abschließende Hinweis auf weiterführende Literatur am Ende eines Zeitschriftenartikels, mit dem der Verfasser keine ungeteilte Zustimmung zu allen im angegebenen Schrifttum vertretenen Auffassungen zum Ausdruck bringe. Zudem führe der vom Beklagten gesetzte Link nicht unmittelbar zu den vom Kläger beanstandeten Aussagen, sondern lediglich zu der beanstandungsfreien Startseite des Internetauftritts eines als Forschungsverband bezeichneten Idealvereins, von der aus auch andere, vom Kläger nicht angegriffene Beiträge zum Thema Implantat-Akupunktur erreichbar gewesen seien. Aus der objektiven Perspektive eines durchschnittlichen Internetnutzers liege die Annahme fern, der Beklagte habe mit seinem Link die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt der Webpräsenz der Internetseite einschließlich aller auf Unterseiten oder in PDF-Dateien enthaltenen Aussagen zu Wirkung und Anwendungsmöglichkeiten der Ohr-Implantat-Akupunktur übernommen.

Folglich scheidet eine Haftung des Beklagten aus. Der Beklagte hat den Link zu den beanstandeten Inhalten auch sofort nach der Abmahnung durch den Kläger von seiner eigenen Internetseite entfernt. Mithin kann es daher dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger beanstandeten Aussagen auf der Internetseite tatsächlich irreführend waren.