Auch juristische Standardformulierungen müssen jedem zugänglich bleiben, der einen Vertrag entwirft.
Brandenburgisches OLG Az. 6 U 50/09
Vorinstanz: Landgericht Potsdam Az. 2 O 167/08

Hinweis: Ebenso entschieden durch das LG Stuttgart Az 17 O 68/08. Hier wurde einem Mustervertrag zur Vermittlung von da Pflegekräften eder Urheberrechtsschutz versagt.

 

Zum Sachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Agentur zur Vermittlung ausländischer Pflegekräfte an Senioren in Deutschland und benutzt im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit mit „Vermittlungsauftrag” und „Dienstleistungsvertrag” überschriebene Formulare, die er selbst erstellte.

Die Beklagte vermittelt ebenfalls Pflegekräfte, und zwar eines osteuropäischen Dienstleistungsunternehmens, Kräfte zur Seniorenbetreuung, Pflege und/oder Haushaltshilfe. Sie verwendet im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes Vertragsformulare, die von den Formulierungen her bis auf geringfügige Abweichungen sowie teils Ergänzungen denen des Klägers entsprechen.

Der Kläger machte einen Anspruch auf Unterlassung der Vervielfältigung und/oder Verbreitung der von ihm entwickelten Muster eines Vermittlungsvertrages sowie eines Dienstleistungsvertrages, einen Auskunftsanspruch über den Umfang der Nutzung der Verträge sowie einen Feststellungsanspruch wegen Schadensersatz geltend.

Das Landgericht Potsdam – Az. 2 O 167/08 – gab der Klage statt, wogegen die Beklagte Berufung einlegte.

Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Klage zurück.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht – Az. 6 U 50/09 – entschied, dass dem Kläger keine urheberrechtlichen Ansprüche zustehen, da die Beklagte kein Urheberrecht des Klägers an den Vertragformularen verletzt hat.
Die Vertragsformulare sind keine geschützten Werke im Sinne des § 2 Urhebergesetz, da sie als Gebrauchszwecken dienende Sprachwerke nicht die erforderliche schöpferische Höhe erreichen, um als Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gelten zu können.

Der Werkbegriff ist in § 2 UrhG definiert, wobei die Aufzählung der Werke nicht abschließend ist.

§ 2 Geschützte Werke
(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2. Werke der Musik;
3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

Das Brandenburgische OLG folgte dem BGH, wonach „bei einem Gebrauchszweck dienenden Sprachwerke erhöhte Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit im Sinne eines deutlichen Überragens des Durchschnitts zu stellen” sind (BGH, Urteil vom 10.10.1991, I ZR 147/98 „Bedienungsanweisung”, Rn. 30; Urteil vom 12.3.1987, I ZR 71/85 „Warenzeichenlexika, Rn. 23; Urteil vom 9.5.1985, I ZR 52/83 „Inkasso-Programm”, Rn. 83; Urteil vom 17.4.1986, I ZR 213/83 „Anwaltschriftsatz”, Rn. 12, 14; Urteil vom 4.10.1990, I ZR 139/89 „Betriebssystem”, Rn. 47; Urteil vom 29.3.1984, I ZR 32/82 „Ausschreibungsunterlagen”, Rn. 26 f.).

Eine Überschreitung der von der BGH-Rechtsprechung vorgegebenen Kriterien einer Schutzuntergrenze bezüglich der Vertragsmuster des Klägers vorlag, die einen urheberrechtlichen Schutz bedingt, sah das Gericht nicht. Es führte dazu aus, dass auch bei juristischen Gebrauchszwecken dienendem Schriftgut höhere Schutzgrenzen anzusetzen sind. Hierbei reicht es nicht aus, dass eine sich vom alltäglichen Schaffen abhebende Geistestätigkeit in der Darstellung zum Ausdruck kommt.

Aus Sicht des Gerichts bestehen der Dienstleistungsvertrag und der Vermittlungsauftrag aus typischen juristischen Vertragsformulierungen und sind von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geprägt, die auch in üblichen Vertragsmustern innewohnen.
Daher ist ein urheberrechtlicher Schutz nicht anzunehmen, da ein weiter Bereich von sprachlichen Formen und Formeln für die Erstellung von Gebrauchssprachwerken allgemein zugänglich bleiben muss, was zur Folge hat, dass auch juristische Standardformulierungen und ein zweckmäßiger Aufbau eines Vertrages jedem zugänglich bleiben muss, der einen Vertrag entwirft. Dies trägt der Notwendigkeit eines Freihaltungsbedürfnisses für gewöhnliche, in ihren Formulierungen durchschnittliche, alltägliche Schriftstücke auf wissenschaftlichem bzw. juristischem Gebiet Rechnung.