LG Hamburg 12. Zivilkammer, Urteil vom 18.07.2018, 312 O 398/16 – Zeichenähnlichkeit
Die Zivilkammer ist der Auffassung, dass nach der Wechselwirkungslehre bei Vorliegen von Warenidentität (Likör), durchschnittlicher Kennzeichnungskraft des Klagzeichens „RUMCHATA“ und mittelgradiger Zeichenähnlichkeit von „OROCHATA“ von einer Verwechslungsgefahr i.S.d. Art. 9 II b) UMV auszugehen ist. Die Kennzeichnung beider Liköre ist von dem Begriff Horchata abgeleitet, dabei handelt es sich um ein Erfrischungsgetränk auf der Basis von Erdmandelmilch.
Das Urteil des Landgerichts HH finden Sie hier:
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
– im geschäftlichen Verkehr das Zeichen „OROCHATA“ , insbesondere in der Form „LICOR 43 OROCHATA“ oder in der Form der EU-Anmeldung 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ auf alkoholischen oder alkoholhaltigen Getränken und/oder alkoholischen oder alkoholhaltigen Mischgetränken oder auf deren Aufmachung oder Verpackung anzubringen,
– alkoholische oder alkoholhaltige Getränke und/oder alkoholische oder alkoholhaltige Mischgetränke unter dem Zeichen „OROCHATA“ insbesondere in der Form „LICOR 43 OROCHATA“ oder in der Form der EU-Anmeldung 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen,
– alkoholische oder alkoholhaltige Getränke und/oder alkoholische oder alkoholhaltige Mischgetränke unter dem Zeichen „OROCHATA“ insbesondere in der Form „LICOR 43 OROCHATA“ oder in der Form der EU-Anmeldung 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ einzuführen oder auszuführen oder
– das Zeichen „OROCHATA“ für alkoholische oder alkoholhaltige Getränke und/oder alkoholische oder alkoholhaltige Mischgetränke insbesondere in der Form „LICOR 43 OROCHATA“ oder in der Form der EU-Anmeldung 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ in Geschäftsbriefen, Ankündigungen, Preislisten, Geschäftskorrespondenz, Empfehlungen, Rechnungen und dergleichen oder in der Werbung zu benutzen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter vorstehender Ziffer 1 genannten Handlungen begangen hat, insbesondere unter Angabe der Art und Weise der Benutzung der Bezeichnung für alkoholische oder alkoholhaltige Getränke und/oder alkoholische oder alkoholhaltige Mischgetränke, der betriebenen Werbung für diese sowie der erzielten Umsätze und Gewinne, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Ländern und Werbeträgern, dies alles unter Vorlage gut lesbarer Kopien der relevanten Belege.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die oben in Ziffer 1 genannten Handlungen entstandenen oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, alle noch in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Druckereierzeugnisse und Druckvorlagen mit der Bezeichnung „OROCHATA“ insbesondere in der Form „LICOR 43 OROCHATA“ oder in der Form der EU-Anmeldung 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben und alle mit der Bezeichnung „OROCHATA“ insbesondere in der Form „LICOR 43 OROCHATA“ oder in der Form der EU-Anmeldung 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ gekennzeichnete Ware endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese beträgt hinsichtlich des Tenors zu 1) 100.000 €, hinsichtlich des Tenors zu 2) und zu 4) jeweils 10.000 € und im Übrigen 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien vertreiben beide Liköre. Das Produkt der Klägerin „RumChata“ ist seit längerem auf dem US-Markt eingeführt. Das Produkt „LICOR 43 Cuarenta y tres Original“ der Beklagten ist seit Jahrzehnten auf dem Markt, wird in ganz Europa vertrieben und in über 50 Länder exportiert. Nach Deutschland wird jährlich eine Flaschenzahl im deutlich siebenstelligen Bereich verkauft. Die ältesten Kennzeichenrechte der Beklagten an dem Zeichen „43“ in Spanien reichen bis in das Jahr 1934 zurück.
Die Beklagte hat als neues Produkt den „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ entwickelt, einen Likör mit Erdmandelmilch und Gewürzen. Geschmacklich inspiriert ist das Getränk von dem in Spanien populären Erfrischungsgetränk „Horchata de Chufa“ welches ebenfalls mit Erdmandelmilch und orientalischen Kräutern hergestellt wird. Das Produkt der Beklagten lehnt sich an das südamerikanische Getränk „Horchata“ an, das auf Reisbasis hergestellt wird.
Die Klägerin ist Inhaberin verschiedener IR-Marken mit Schutz in der EU, nämlich der am 5.2.2014 registrierten Wortmarke RUMCHATA (IR 1 225 520) für Waren in den Klassen 29, 30 und 33, der am 15.2.2013 für Waren in der Klasse 33 registrierten Marke RUMCHATA (IR 1 018 278), der am 4.8.2014 eingetragenen Wortmarke CHATA (IR 1 225 264) in den Klassen 29, 30 und 33 und der am 15.2.2013 für Waren der Klasse 33 eingetragenen Marke CHATA (IR 1 154 003).
Die Beklagte hat am 30.12.2015 die EU-Marke 14 970 371 „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA & Bild“ für Waren der Klassen 32 und 33 und dazu passende Dienstleistungen der Klassen 35 angemeldet (Anlage K 4). Die Beklagte benutzt das Zeichen in seiner Gesamtgestaltung wie sie auf den Seiten 6 und 8 der Klagerwiderung (= Bl 55 u. 57 d.A.) abgebildet ist. Auf dem Flaschenhals des Produktes befindet sich eine Banderole mit der Aufschrift OROCHATA, auf dem in schwarzer Farbe gehaltenen Deckel der Produktes steht „LICOR 43 Cuarenta y tres“.
Die Klägerin hat gegen die Anmeldung am 19.5.2016 Widerspruch eingelegt, das EUIPO hat den Widerspruch mangels Nachweisen für das Bestehen der geltend gemachten IR-Marken zurückgewiesen (Anlage B 12, Seite 2).
Die Beklagte hat zudem nationale spanische Wortmarken „LICOR 43 OROCHATA“ und „LICOR 43 OROXATA“ unter zwei verschiedenen Aktenzeichen für alkoholische Getränke angemeldet. Auch hiergegen hat die Klägerin – gestützt auf die IR-Marken CHATA (IR 1 154 003) und RUMCHATA (IR 1 225 529) Widerspruch eingelegt, den das spanische Markenamt zurückgewiesen hat. Das spanische Markenamt hat dazu ausgeführt, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen „LICOR 43 OROCHATA“ und „LICOR 43 OROXATA“ einerseits und „RumChata“ andererseits bestehe. Die Klägerin hat insoweit Rechtsmittel eingelegt, die Beschwerden wurden vom spanischen Markenamt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt vor, dass sie das Zeichen RUMCHATA in Deutschland benutze: So werde das Produkt an 180 Verkaufsstellen und in den großen Kaufhäusern von Galeria Kaufhof, Karstadt, bei Butter Lindner und im Frischeparadies sowie bei 5 Edeka-Partnern, also in etwa 50-60 Edeka-Supermärkten bundesweit, verkauft. Außerdem werde RUMCHATA über den Großhändler Chefs Culinar, der bundesweit viele Hotels und Restaurants beliefere, sowie im KaDeWe in Berlin, im Alsterhaus in Hamburg bei Käfer und bei Böhm angeboten.
Die Internetseite www. r..com lasse sich ausweislich der Anlage K 16 über die „Sprachauswahl“ auch auf Deutsch einstellen und richte sich somit auch an den deutschen Verkehr. Im Übrigen verfüge gerade der angesprochene junge Verkehr über ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache, um auch eine englischsprachige Website zu verstehen.
Sie benutze auch das Zeichen „CHATA“. So stünden auf dem Flaschendeckel in Gold eingeprägt, wie aus Anlage K 2 ersichtlich, die Worte „The Original CHATA Brand RumCream“. CHATA werde hier durch Blockbuchstaben und eine deutlich größere Schrifttype gegenüber den anderen Worten hervorgehoben. Somit werde CHATA auch in Alleinstellung benutze. Die Gestaltung des Schriftzuges RUMCHATA auf der Flasche gemäß Anlage K 1 erlaube es auch, das Zeichen als RUM CHATA in 2 Worten wahrzunehmen. Da „RUM“ als beschreibend verstanden werde, werde „CHATA“ auch in dieser Hinsicht in Alleinstellung wahrgenommen. In der Presse werde das Wort CHATA ausweislich der Anlage K 14 auch allein verwendet.
Die Klägerin meint, dass ihr Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte aus Art. 9 UMV und hier in erster Linie aus der IR-Marke IR 1 225 520 RUMCHATA, an zweiter Stelle aus der IR-Marke IR 1 018 278 RUMCHATA, an dritter Stelle aus der IR-Marke IR 1 225 264 CHATA und an vierter Stelle aus der IR-Marke IR 1 154 003 CHATA) bzw. aus §§ 8 I, 3, 4 Nr. 3 a UWG zustünden.
Der Anspruch aus Art. 9 UMV ergebe sich, weil zwischen RUMCHATA einerseits und OROCHATA andererseits nicht nur eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe, sondern zugleich eine dadurch begründete Verwechslungsgefahr, dass die Klägerin neben der IR-Marke RUMCHATA und einer weiteren IR-Marke RUMCHATA auch über zwei IR-Marken CHATA verfüge, was im Sinne einer mittelbaren Verwechslungsgefahr bzw. einer assoziativen Verwechslungsgefahr zu sehen sei. Bei identischen Waren seien sich die Marken hochgradig ähnlich.
Der Bestandteil „LICOR 43 Cuarenta y tres“ des Zeichens der Beklagten werde als Dachmarke wahrgenommen, OROCHATA sei in dem Gesamtzeichen prägend und habe zumindest eine selbstständig kennzeichnende Stellung. Es bestehe jedenfalls die Gefahr, dass das Gesamtzeichen der Beklagten vom Verkehr auf die Bezeichnung „OROCHATA“ verkürzt werde was durch einige Blogger und Tester schon geschehe. Die Beklagte selbst verwende das Wort OROCHATA schon in Alleinstellung auf dem Halsetikett, der zusätzliche Text auf dem Deckel befindet sich in einem 90-Grad-Winkel zum Halsetikett und werde deshalb nicht zusammen mit OROCHATA gelesen. Auf den Gläsern sei das Wort OROCHATA deutlich größer geschrieben als der Markenbestandteil „LICOR 43 Cuarenta y tres“.
Außerdem bestehe eine assoziative Verwechslungsgefahr. Deutsche Verbraucher seien mit der Praxis der Spirituosenindustrie vertraut, dass das Wort „ORO“ für ein Premium-Produkt in einer Produktlinie verwendet werde. CHATA sei ein unterscheidungskräftiges Element für die angesprochenen deutschen Verbraucher, während ORO Gold bedeute und so auch den deutschen Verbrauchern verständlich sei. Somit brächten diese OROCHATA sofort mit RUMCHATA und CHATA in Verbindung.
Der Anspruch auf Auskunft folge aus § 19 MarkenG, derjenige auf Schadensersatz aus § 14 VI MarkenG. Die Beklagte habe zumindest grob fahrlässig gehandelt, da sie von den prioritätsälteren Rechten der Klägerin gewusst habe. Der Anspruch auf Vernichtung und Rückruf aus dem Vertrieb folge aus § 18 MarkenG.
Der Anspruch wegen wettbewerbsrechtlicher Herkunftstäuschung bestehe, weil die Flaschenform extrem ähnlich gestaltet sei, das Zusammenspiel der verschiedenen Elemente führe zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung. Einkerbungen am Flaschenhals könnten nicht dazu führen, eine Verwechslung auszuschließen.
Die Klägerin hatte die Unterlassungsanträge zunächst ohne die Worte „in der Bundesrepublik Deutschland“ hinter den Worten „zu unterlassen“ angekündigt.
Sie beantragt nunmehr,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie weder Rechte der Klägerin an ihren Marken „RUMCHATA“ und „CHATA“ verletze noch sich unlauter gemäß §§ 3, 4 Nr. 3 lit a. UWG verhalte.
Sie trägt vor, dass sich die Homepage der Klägerin www. r..com schon nicht an deutsche Kunden richte, was die „com-Endung“ der Domain zeige, sowie dass die Seite nur auf Englisch und Spanisch und nicht auf Deutsch verfügbar sei. Weiter sei für die Benutzung der Seite ein Mindestalter von 21 Jahren festgelegt, was der relevanten Altersgrenze der USA und nicht Deutschlands entspreche. Auch die Präsenz der Klägerin in sozialen Medien zeige lediglich einen Bezug zum US-amerikanischen Markt.
Es bestehe keine Zeichenähnlichkeit und damit keine Verwechslungsgefahr. Der Bestandteil OROCHATA präge das Gesamtzeichen der Beklagten nicht und nehme auch keine selbstständig kennzeichnende Stellung ein.
Das vorangestellte, bekannte und graphisch hervorgehobene Zeichen „43 CUARENTA Y TRES“ präge den Gesamteindruck jedenfalls mit. „43 CUARENTA Y TRES“ verfüge über Kennzeichnungskraft, da der deutsche Verkehr nicht über spanische Sprachkenntnisse verfüge, so dass es sich für ihn um eine Phantasiebezeichnung handle. Auch der Zeichenbestandteil ORO in OROCHATA sei nicht beschreibend, da das Wort „ORO“ dem deutschen Verbraucher nicht verständlich sei. Zu dem Wort „ORO“ habe das europäische Gericht erster Instanz bereits festgestellt, dass es für den nicht spanisch- und italienischsprachigen Verkehr nicht verständlich und daher von jedenfalls durchschnittlicher Kennzeichnungskraft sei.
Bei Gegenüberstellung der Bestandteile RUMCHATA mit OROCHATA bzw. CHATA mit OROCHATA bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil die Zeichen sich deutlich in Gesamteindruck und Klang unterschieden, insbesondere die prägenden Zeichenanfänge wichen voneinander ab. OROCHATA werde vom deutschen Verkehr zudem als Phantasiebegriff verstanden, während der Wortanfang „Rum“ dem Durchschnittsverbrauchers als Name hochprozentiger Alkoholika geläufig sei, so dass er mit dem Wort „RUMCHATA“ den Bereich alkoholischer Getränke verbinde. UWG-Ansprüche schieden schon wegen der abweichenden Flaschengestaltung aus. Da nach der Rechtsprechung dem Wortanfang besondere Bedeutung zukomme und vorliegend die ersten drei Buchstaben „Rum“ bzw. „Oro“ völlig verschieden seien, werde der Verbraucher auch die beiden Worte „Rumchata“ und „Orochata“ als unterschiedlich empfinden. Der Vergleich von „Chata“ und „OROCHATA“ führe wegen der unterschiedlichen Wortanfänge und der unterschiedlichen Wortlänge zu einem Eindruck der Unähnlichkeit.
Sogar wenn man vom Vorliegen eines Serienzeichens „LICOR 43 CUARENTA Y TRES“ ausgehe, führe das nicht dazu, dass dieser Bestandteil in der Bedeutung für den Gesamteindruck automatisch zurücktrete. Der Bundesgerichtshof habe bei der Würdigung des Einzelfalles INTERCONNECT/T-InterConnect in Bezug auf das Zeichen „T-“ entschieden, dass, da der Verkehr den vorangestellten Bestandteil „T-“ nicht vernachlässige, diesem jedenfalls eine das angegriffene Gesamtzeichen mitprägende Bedeutung zukomme.
Vorliegend sei der vorangestellte Bestandteil „LICOR 43 CUARENTA Y TRES“ durch die grafische Gestaltung des Bildzeichens hervorgehoben und nehme den meisten Raum ein, so dass er eine mitprägende Bedeutung habe. Bei Gegenüberstellung der Zeichen RUMCHATA bzw. CHATA mit dem Gesamtzeichen der Beklagten bzw. dessen Wortbestandteilen „LICOR 43 CUARENTA Y TRES OROCHATA“ bestünden erhebliche visuelle sowie klangliche Unterschiede, eine Zeichenähnlichkeit liege nicht vor. Der Bestandteil OROCHATA habe im Gesamtzeichen keine selbständig kennzeichnende Stellung und präge das Gesamtzeichen auch nicht. Für die Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung müssten besondere Umstände vorliegen, die es erlaubten, einzelne Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens als selbständig kennzeichnend anzusehen. Solche Umstände könnten zwar bei einem Serienzeichen vorliegen, dieser Grundsatz gelte aber nicht, wo der Zusatz das Zeichen insbesondere aufgrund seiner Bekanntheit mitpräge.
Eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe mangels Bekanntheit der älteren Marke innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise nicht. Das Produkt der Klägerin „RUMCHATA“ sei auf dem deutschen Markt weitgehend unbekannt. Eine Nutzung von „CHATA“ in Alleinstellung werde von der Klägerin nicht einmal behauptet.
Auch nach der Auffassung des spanischen Markenamtes und der Beschwerdeinstanz liege keine Verwechslungsgefahr vor (Anlage B 14).
Die Klägerin versuche, die Beklagte zu behindern, was sich schon daran zeige, dass die Klägerin die Marke der Beklagten OROCHATA in drei Varianten in Mexiko angemeldet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2017 verwiesen.
Die Entscheidung ergeht nach Zustimmung der Parteien nach § 128 II ZPO im schriftlichen Verfahren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Kammer legt den Antrag zu 1), Spiegelstrich 4, entsprechend den vorangehenden Anträgen zu 1) Spiegelstriche 1 bis 3, als auf alkoholische oder alkoholhaltige Getränke und/oder alkoholische oder alkoholhaltige Mischgetränke bezogen aus. Ein abstrakter Antrag ist ersichtlich nicht gewollt und nicht begründet worden.
I. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 9 II lit. b, 189 UMV (VO 2017/1001 vom 14.6.2017), aus Art. 189, 129 II UMV i.V.m. § 19 MarkenG, § 242 BGB, aus Art. 185, 129 II UMV i.V.m. § 14 VI MarkenG und aus Art. 189, 129 II UMV i.V.m. § 18 MarkenG zu.
1. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus Art. 9 II lit. b, 189 UMV (VO 2017/1001 vom 14.6.2017) zu. Es liegt Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gemäß Art. 9 II b) UMV für das Publikum zwischen dem für die Klägerin geschützten Zeichen und demjenigen der Beklagten vor. Denn es besteht Warenidentität bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagmarke RUMCHATA und vorhandener Zeichenähnlichkeit zwischen der Klagmarke und der angegriffenen Marke.
Da sich die 2014 registrierte Klagmarke RUMCHATA noch in der Benutzungsschonfrist befindet, kommt es auf ihre Benutzung im deutschen Markt nicht an. Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem Produkt RUMCHATA bereits entsprechend ihrem Vortrag im deutschen Markt präsent ist. Soweit die Internetseite www. r..com schon entsprechend dem Vortrag der Beklagten nur auf Englisch und Spanisch und – entgegen der Anlage K 16 – nicht auf Deutsch verfügbar wäre, schlösse dies nicht aus, dass die Seite sich auch an den deutschen geschäftlichen Verkehr richtete, solange für diesen nicht jegliche Bestellmöglichkeit ausgeschlossen wäre. Dies ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
a. Die Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen: Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den zu berücksichtigenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der mit der Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Ein geringerer Grad an Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit kann durch einen höheren Grad an der Zeichenähnlichkeit oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. BGH, Urteil vom 29.7.2009., Az. I ZR 102/07 – AIDA/AIDU; vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. [2010], § 14 Rz. 371 ff. m.w.N.; 431 m.w.N). Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. EuGH, Urteil vom 6.10.2005, Az. C-120/04 – Thomson Life, Rz. 28).
aa. Vorliegend besteht Warenidentität, die an erster Stelle geltend gemachte Klagmarke IR 1225520 RUMCHATA ist in Klasse 33 für alkoholische Getränke außer Bieren, die weiteren Zeichen der Klägerin sind für alkoholische Getränke außer Bieren sowie für alkoholische Mischgetränke, insbesondere ein sahnebasiertes Getränk mit Rum und Horchata-Geschmack, das Zeichen der Beklagten ist in Klasse 33 für Liköre eingetragen (Anlage K 4).
bb. Die Kennzeichnungskraft der Klagmarke RUMCHATA ist durchschnittlich.
cc. Es besteht Zeichenähnlichkeit zwischen der Klagmarke RUMCHATA IR 1 225 520 einerseits und „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ in der aus Anlage K 4 ersichtlichen Gestaltung andererseits.
(1) Die Beklagte hat mit der Eintragung der streitgegenständlichen Marke „LICOR 43 cuarenta y tres Orochata“ eine Markenserie begründet, da sie nun mehrere Zeichen mit dem Bestandteil „LICOR 43 cuarenta y tres“ verwendet. Ein Serienzeichen liegt vor, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb nachfolgende Bezeichnungen, die einen identischen oder „wesensgleichen“ Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rz.- 1172 m.w.N.). Für die Annahme einer Serie können bereits zwei benutzte Zeichen genügen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rz.- 1178 m.w.N.).
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens besteht jedoch nicht, weil die Zeichen der Klägerin und der Beklagten nicht in dem Stamm der Serie „LICOR 43 cuarenta y tres“ übereinstimmen.
(2) Es ist aber von einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne auszugehen, weil mit OROCHATA ein mit RUMCHATA teilweise übereinstimmendes und damit ähnliches Zeichen in eine komplexe Marke aufgenommen worden ist und weil OROCHATA dort eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält.
(a) Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt vor, wenn ein mit einer älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2007, Az. I ZR 132/04 Rz. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect). Dasselbe gilt, wenn der Inhaber einer Markenserie ein zusammengesetztes Zeichen benutzt, das den bekannten Bestandteil der Markenserie mit einem Bestandteil kombiniert, der mit einem anderen nicht oder weniger bekannten Kennzeichen übereinstimmt. Sowohl beim Unternehmens- als auch beim Serienkennzeichen ist nämlich der bereits erörterte Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr in einem neben dem erkennbaren Unternehmens- und Serienkennzeichen vorhandenen Bestandteil grundsätzlich die eigentliche Produktkennzeichnung erblickt (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2007, Az. I ZR 132/04 Rz. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect)). Dem Bestandteil kommt damit eine eigenständige, produktbezogene Kennzeichnungsfunktion zu, die ihm eine selbständig kennzeichnende Stellung verleiht. Stimmt der selbständig kennzeichnende, produktbezogene Bestandteil mit einer anderen Marke überein, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass der Verkehr diese andere Marke dem Inhaber des Unternehmens- oder Serienkennzeichens zuordnet und meint, sie bezeichne dessen Produkte oder Dienstleistungen, oder dass der Verkehr jedenfalls davon ausgeht, die Waren oder Dienstleistungen stammten von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2007, Az. I ZR 132/04 Rz. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect).
Dies ist vorliegend gegeben: Mit dem Wort „Orochata“ ist ein der älteren Marke „Rumchata“ ähnlicher Bestandteil dem Zeichen „LICOR 43 cuarenta y tres“ hinzugefügt worden. Dieser Bestandteil ist dem Verkehr vertraut. Denn das Produkt „LICOR 43 cuarenta y tres Original“ ist auf dem europäischen und deutschen Markt seit langem präsent, nach Deutschland werden jährlich deutlich mehr als 1 Million Flaschen des Produktes exportiert. Dementsprechend gilt der Erfahrungssatz, dass der Verkehr in einem neben dem erkennbaren Serienkennzeichen vorhandenen Bestandteil grundsätzlich die eigentliche Produktkennzeichnung erblickt (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2007, Az. I ZR 132/04 Rz. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect).
Der Bestandteil „OROCHATA“ behält im Gesamtzeichen der Beklagten daher eine selbständig kennzeichnende Stellung.
(b) Hinzu kommt, dass der Verkehr aufgrund der graphischen Gestaltung das eingetragene Bildzeichen der Beklagten nicht als einheitliches Gesamtzeichen, sondern als zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen auffasst. Denn im Zeichen der Beklagten sind die Zeichenbestandteile deutlich voneinander abgesetzt, so dass sie als eigenständige Zeichenbestandteile wahrgenommen werden.
Ob mehrere Elemente ein einheitliches Gesamtzeichen bilden, das dann auch nur als solches angegriffen werden kann, oder ob es sich um mehrere gesonderte Kennzeichnungen (Mehrfachkennzeichnung) handelt, von denen jede isoliert angreifbar ist, ist nach der Verkehrsanschauung zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 13.9.2007, Az. I ZR 33/05 = GRUR 2008, 254, 256 – Rz. 29 ff. – The Home Store; BGH, GRUR 2005, 423, 425 – Staubsaugerfiltertüten; BGH, GRUR 2009, 766, 771 – Stofffähnchen; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11.Aufl. 2015, § 14 Rz. 272). Die räumliche Trennung, die Verwendung unterschiedlicher Sprachen und einer abweichenden graphischen Gestaltung, ebenso die Verwendung verschiedener Zeichenformen können zum Beispiel dafür sprechen, dass nicht mehrere Bestandteile eines Gesamtzeichens, sondern mehrere Zeichen vorliegen (BGH, GRUR 2008, 254, 256 – The Home Store; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11.Aufl. 2015, § 14 Rz. 272). Sind dagegen mehrere Wortbestandteile durch einen Bindestrich verbunden, spricht dies für eine Wahrnehmung als einheitliches Zeichen (BGH, Urteil vom 28.6.2007, Az. I ZR 132/04, Rz. 27-29 = GRUR 2008, 258, 260 – INTERCONNECT/T-Interconnect).
Die Bestandteile des als Bildmarke eingetragenen Zeichens „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ (Anlage K 4) der Beklagten werden als eigenständig wahrgenommen.
Optisch besteht die Marke aus einem graphisch auffällig gestalteten oberen Bereich um die in weißer Schrift hervorgehobene und auf einem schwarzen kreisförmigen Untergrund präsentierte Zahl „43“, über der in goldener Schrift und deutlich geringerer Schriftgröße das Wort „LICOR“ und unter der in gleicher Weise die Worte „CUARENTA Y TRES“ stehen. Der schwarze Kreis, der wie ein Emblem gestaltet ist, wird durch eine goldene, eine schwarze und schließlich eine breitere weiße Umrandung nochmals vor einem in Art eines Mosaikfußboden gestalteten und in den Farben gelb, braun, beige, grau, bordeauxrot, violett und orange jeweils in unterschiedlichen Helligkeitsstufen und zudem in weiß gehaltenen Hintergrund deutlich hervorgehoben. Der mosaikähnliche Hintergrund wird zur unteren Hälfte des Gesamtzeichens hin heller und verliert sich schließlich in einer weißen Fläche auf der in schwarzer Schrift etwa im unteren Drittel des Zeichens das Wort „OROCHATA“ steht. Die Schriftgröße von „OROCHATA“ liegt zwischen der Größe der „43“ und den deutlich kleiner geschriebenen Worten „LICOR“ und „CUARENTA Y TRES“.
Graphisch ist das Wort „OROCHATA“ damit deutlich von der oberen Hälfte des Zeichens abgesetzt, es ist weder durch die Schriftgröße noch durch die Schriftart den im oberen Teil des Zeichens stehenden Worten angeglichen. Zudem steht es vor einem einheitlich weißen Hintergrund, dessen ruhige Gestaltung in deutlichem Gegensatz zum oberen Teil des bunt und verspielt gezeichneten Etikettzeichens steht.
Hinzu kommt, dass die Beklagte seit Jahrzehnten den Likör „LICOR 43 Cuarenta y tres ORIGINAL“ erfolgreich in Deutschland und in ganz Europa vertreibt. Ausweislich des von der Beklagten als Anlage B 5 vorgelegten Zeitungsausschnitts aus dem Jahr 2003 aus der Zeitschrift „Getränkefachgroßhandel“ ist der Licor 43 der meistgetrunkene und bekannteste Likör aus Spanien, nach Deutschland werden jährlich deutlich mehr als 1 Million Flaschen exportiert. Dementsprechend ist das Zeichen „LICOR 43 Cuarenta y tres ORIGINAL“ jedenfalls einem Teil der angesprochenen Verkehrskreise vertraut, so dass davon auszugehen ist, auch aus diesem Grunde das Zeichen „LICOR 43 Cuarenta y tres OROCHATA“ in Abgrenzung zu dem alten Zeichen als „OROCHATA“ gegenüber dem „ORIGINAL“ verkürzt wird. Dass diese Verkürzung tatsächlich geschieht, hat die Klägerin durch Vorlage von Ausdrucken verschiedener Blogger-Sites gemäß den Anlagen K 6 und K 7 belegt.
Die Beklagte selbst trifft diese Unterscheidung bei der Etikettierung der Flasche, wie aus der Abbildung auf Seite 6 des Schriftsatzes vom 16.2.2017 (Bl 55 d.A.) hervorgeht: Um den Flaschenhals befindet sich eine Banderole mit der Aufschrift „OROCHATA“, hier wird dieser Bestandteil der Bildmarke von der Beklagten in Alleinstellung benutzt. Soweit die Beklagte vorträgt, dass der Rest des Zeichens auf dem Flaschendeckel zu finden und in Aufsicht zu sehen sei, ist dies aber nicht die Ansicht, die dem Verkehr in einem Supermarktregal oder in einer Bar, in der der Deckel entfernt und durch einen Portionierer ersetzt wird, regelmäßig entgegentritt. Bei der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr kommt es nicht allein auf den so genannten „Point of Sale“ an, vielmehr kommt es auf die abstrakte Gefahr von Verwechslungen an (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 12. Aufl. 2018, § 9 Rz. 25 m.w.N.; EuGH, Urteil vom 12.11.2002, Az. C-206/01, – Arsenal Football Club plc, Rz 57), so dass Verwechslungsgefahren durch die Art der Markennutzung auch zu späteren Zeitpunkten zu berücksichtigen sind. Auf dem Flaschenhals des Produktes der Beklagten zu sehen ist – außer bei der seltenen Perspektive von schräg oben nach unten – nur der Einzelbestandteil OROCHATA in Alleinstellung, dieser Bestandteil allein ist dementsprechend im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen.
Auch eine klangliche Ähnlichkeit ist anzunehmen. Denn in der Kommunikation wird das Produkt der Klägerin als „Rumchata“ bzw. „Rum Chata“ bezeichnet, das der Beklagten als „Orochata“ verkürzt.
(c) Zwischen „Rumchata“ und „Orochata“ besteht eine mittelgradige Zeichenähnlichkeit.
Rumchata und Orochata enden beide klanglich und schriftbildlich identisch mit den Silben „chata“. In diesen Silben sind beide Worte bedeutungslos. Die Wortanfänge sind ähnlich im Klang durch die Vokale „u“ bzw. „o“ und schriftbildlich durch den Konsonanten „r“, der in beiden Worten vorkommt. Die Silbenzahl der Worte ist mit 3 bzw. 4 Silben zwar unterschiedlich. Aber auch die Worte in ihrer Gesamtlänge sind bedeutungslos, wobei der Bestandteil „Rum“ von „Rumchata“ auf das enthaltene alkoholische Getränk verweist und das Gesamtwort leichte Anklänge an ein spielerisches „Rumtata“ hat, die aber nicht zwingend sind.
Bei dem Wort „Orochata“ werden spanisch- und italienischsprachige Teile des Verkehrs den Wortanfang „Oro“ als „Gold“ erkennen und/oder das Wortspiel mit dem spanischen Wort „Horchata“ verstehen und OROCHATA damit ausschließlich als Ergebnis dieses Wortspiels wahrnehmen. Relevante Anteile des Verkehrs in Deutschland messen den Worten „Oro“ und „Orochata“ aber keine Bedeutung bei und gewichten jede der für sie bedeutungslosen Silben gleich, so dass sich die Beurteilung der Ähnlichkeit der Worte im Ergebnis auf die schriftbildliche und klangliche Ähnlichkeit reduziert.
Die Benutzung des Zeichens „Orochata“ wird in der optischen Gestaltung gemäß Anlage K 4 und den z.B. aus den Anlagen K 5, 6, 7, 8, 9, 12 und 13 ersichtlichen Verwendungsformen auf der Flasche von den angesprochenen Verkehrskreisen auch als herkunftshinweisend verstanden und ist markenmäßig. Dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund einer allgemeingültigen und überwiegend verbreiteten Übung im Spirituosenbereich „Orochata“ als (beschreibende) Bezeichnung der Geschmacksrichtung erkennen müssten, ist nicht ersichtlich. Die von Beklagtenseite angeführten Getränke Baileys, Martini und Bacardi können eine solche Gewöhnung des Verkehrs an Marktgepflogenheiten nicht belegen – zumal allein Baileys mit „Coffee Flavour“ und „Pumpkin Spice“ deutlich auf Geschmacksrichtungen verweisen, während Martini mit „Bianco“, „Rosso“ und Rosato“ und Bacardi mit „Black“ und „Gold“ wohl eher auf die Farbe des Getränks abheben.
„Rumchata“ und „Orochata“ bleiben in den Bestandteilen „chata“ schriftbildlich und klanglich identisch, in den vokaldominierten Wortanfängen „Rum“ und „Oro“ ähnlich. Unter Berücksichtigung der genannten Unterschiede, der Teilidentität der Worte und der Ähnlichkeit der Wortanfänge geht die Kammer von einer mittelgradigen Zeichenähnlichkeit von „Rumchata“ und „Orochata“ aus.
Unter Zugrundelegung des Umstandes, dass der Verkehr die beiden Zeichen „Rumchata“ und „Orochata“ in aller Regel nicht nebeneinander, sondern getrennt wahrnimmt, und vor dem Hintergrund, dass vollständige Warenidentität gegeben ist, kann von einem ausreichenden Abstand des Zeichens der Beklagten aus Sicht der Kammer bei der gegebenen klanglichen und schriftlichen Ähnlichkeit nicht mehr ausgegangen werden.
dd. Nach der Wechselwirkungslehre ist bei Vorliegen von Warenidentität, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft des Klagzeichens RUMCHATA und mittelgradiger Zeichenähnlichkeit von einer Verwechslungsgefahr i.S.d. Art. 9 II b) UMV auszugehen.
2. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus Art. 189, 129 II UMV i.V.m. § 19 MarkenG, § 242 BGB.
3. Der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung beruht auf Art. 189, 101 II UMV i.V.m. § 14 VI MarkenG.
4. Der Anspruch auf Vernichtung und Entfernung aus den Vertriebswegen ergibt sich aus Art. 189, 129 II UMV i.V.m. § 18 MarkenG.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.