BGH, Urteil vom 17.12.2010 V ZR 44/10

Oberlandesgerichts Brandenburg, Az. 5 U 12/09

Landgericht Potsdam Az. 1 O 175/08

Klägerin ist die öffentlich-rechtliche Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Sie verwaltet über 150 historische Bauten und rund 800 Hektar Gartenanlagen in Berlin und Brandenburg, darunter auch Sanssouci, Cecilienhof, Park und Schloss Rheinsberg, Schloss Charlottenburg, Jagdschloss Grunewald sowie die Pfaueninsel.

Die Beklagte betreibt als Diensteanbieter eine Internetplattform, auf der gewerblich und frei berufliche Fotografen Fotos zum entgeltlichen Herunterladen ins Internet stellen können. Auf der Internetplattform bietet sie ca. 4 Millionen Bilder an, darunter auch Bilder von durch die Klägerin verwalteten Kulturgütern.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten es zu unterlassen, Fotos der von ihr verwalteten Kulturgüter auf dem Bildportal bereitzustellen, soweit diese nicht von öffentlich zugänglichen Plätzen außerhalb der verwalteten Anlage oder zu privaten Zwecken angefertigt wurden. Des Weiteren begehrte sie Auskunft über die Anzahl der Fotografien und die damit erzielten Einnahmen sowie die Feststellung, dass die Beklagte für bereits entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schäden schadensersatzpflichtig sei.

Das Landgericht Potsdam (Az. 1 O 175/08) hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten änderte die nächste Instanz (Oberlandesgerichts Brandenburg, Az. 5 U 12/09) das Urteil ab und wies die Klage zurück. Hierauf legte die Klägerin das Rechtsmittel der Revision ein, mit dem Ziel, dass das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg aufgehoben und die Entscheidung des Landgerichts Potsdam wiederhergestellt wird.

Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück.

Der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 903, 1004 BGB gegen die Beklagte zu.

§ 903 Befugnisse des Eigentümers

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.

§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Der Schutz des Eigentums erfasse lediglich die Sachsubstanz und deren Verwertung. Die bloße Ablichtung sowie die nachfolgende Verwertung der Aufnahmen der Sache stelle keine Beeinträchtigung des Eigentums dar. Auch lägen keine auf das Hausrecht oder auf einen Benutzungsvertrag gestützten Ansprüche vor, da die Beklagte den Grundbesitz der Klägerin nicht betreten habe. Schließlich komme auch keine Haftung nach dem Telemediengesetz in Betracht, da die Beklagte keine Prüfungspflicht bezüglich möglicher Rechtsverletzungen bei der Anfertigung der eingestellten Fotos hatte.

Zwar scheitere der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schon daran, dass das Fotografieren eines Gebäudes oder einer Gartenanlage auf einem Grundstück das Grundstückeigentum nicht beeinträchtigt, da es gerade zu den Befugnissen des Eigentümers zählt, das äußerer Erscheinungsbild der Sache zu verwerten (so auch Urteile des BGH vom 20. September 1974 – I ZR 99/73, NJW 1975, 778 f. und vom 9. März 1989 – I ZR 54/87, NJW 1989, 2251, 2252).

Vielmehr scheitere der Anspruch daran, dass die Beklagte keine Verantwortlichkeit für die von der Klägerin geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Eigentumsrechts treffe. Sie sei nicht Störerin i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB. Sie sei weder Handlungs- noch Zustandsstörerin.

Hierzu führte der BGH aus, dass als Handlungsstörer

„nur derjenige zu verstehen (ist), der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten, das heißt durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen, adäquat verursacht hat (Senat, Urteile vom 24. November 1967 – V ZR 196/65, BGHZ 49, 340, 347 und vom 1. Dezember 2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 432 mwN). Die Beklagte hat indes zu keinem Zeitpunkt körperlich, etwa durch Betreten des Grundbesitzes, auf das Eigentum der Klägerin zugegriffen und die Klägerin auch sonst nicht in der Nutzung ihrer Grundstücke beeinträchtigt. Sie hat die auf ihrer Internetplattform aufrufbaren Fotos von Gebäuden und Gartenanlagen der Klägerin weder selbst (ungenehmigt) angefertigt noch selbst auf ihre Plattform eingestellt. Sie vermarktet diese Fotos auch nicht selbst. Sie stammen vielmehr von den Fotografen und Agenturen, die ihre eigenen Fotos auf der Plattform der Beklagten zum Abruf bereitstellen und ihre Verwendung mit den interessierten Besuchern der Plattform selbst vereinbaren. Diesen Besuchern stehen auch nur die fremden Bildbestände, nicht auch eigene Bestände der Beklagten selbst zur Verfügung (im Unterschied etwa zum Fall BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, NJW 2010, 2731, in welchem der Suchdienst eigene Bestände an Vorschaubildern bereithielt).“

Die Beklage sei auch nicht Zustandstörerin.

Die Verwertung von Fotos ohne die Genehmigung der Klägerin beeinträchtige zwar deren Grundstückseigentum, diese Beeinträchtigung werde auch durch die von der Beklagten betriebene Internetplattform möglich. Da die Internetplattform den Zweck hat, den an der Verwertung von Fotos interessierten Fotografen und Agenturen einen virtuellen Marktplatz zur Verfügung zu stellen, auf dem sie ihre Fotos interessierten Kunden anbieten können. Es fehle jedoch der an der Zurechenbarkeit dieser Beeinträchtigung.

Auch wenn die Beklagte als Betreiberin entscheidet, welchen Fotografen und Agenturen sie erlaubt, Fotos auf ihre Plattform zu stellen, also insofern Einfluss darauf nehmen kann, welche Fotos eingestellt werden dürfen und welche nicht, sei dies nicht für die Zurechenbarkeit ausreichend, da für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr erforderlich ist, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht.

Wann dies der Fall ist, könne nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden, also ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (für Eigentumsbeeinträchtigungen: Senat, Urteile vom 11. Juni 1999 – V ZR 377/98, BGHZ 142, 66, 69 f., vom 30. Mai 2003 – V ZR 37/02, BGHZ 155, 99, 105 und vom 1. Dezember 2006 – V ZR 112/06 aaO; Wenzel, NJW 2005, 241; für die Beeinträchtigung anderer absoluter Rechte: BGH, Urteile vom 15. Oktober 1998 – I ZR 120/96, NJW 1999, 1960 f., vom 1. April 2004 – I ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 350 und vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, aaO).

Bei der Frage ob und wann die Beeinträchtigung des Eigentums durch Dritte, die eine Internetplattform nutzen dem Plattformbetreiber zuzurechnen ist vorliegt, bestimme sich nach den vom BGH entwickelten Grundsätze in Bezug auf Ansprüche auf Unterlassung bei Verletzung absoluter Rechte. Absolute Rechte sind Rechte, die gegen alle wirken und sind von den relativen Rechten zu unterscheiden, die nur zwischen inter partes – also zwischen den Parteien wirken. Hierunter fallen die u.a. Persönlichkeitsrechte, dingliche Rechte oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Bei der vorliegenden Art der Beeinträchtigung gehe es zwar nicht um einen Eingriff in die Substanz der Grundstück oder eine Beeinträchtigung ihrer Nutzung, sondern um die Verletzung des aus dem Grundstückseigentum folgenden Rechts zur Anfertigung und Verwertung von Abbildungen der Gebäude und Gartenanlagen, die von dem Grundstück aus angefertigt werden.

Die Störerhaftung setze die Verletzung von Prüfpflichten voraus, wenn der in Anspruchgenommene nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, CR 2010, 458, 460 Rn. 19). Der Umfang der Prüfpflicht bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteile vom 9. Februar 2006 – I ZR 124/03, NJW 2006, 2764, 2766 Rn. 32, vom 19. April 2007 – I ZR 35/04, BGHZ 172, 119, 131 f. Rn. 40 und vom 30. April 2008 – I ZR 73/05, NJW-RR 2008, 1136, 1139 Rn. 50).

Hierzu führte der BGH aus, dass

„Eine solche Prüfpflicht […] im Einzelfall schon bei der Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung und unabhängig davon entstehen (kann), ob es durch die unbefugte Nutzung der Einrichtung zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und ob diese dem Betreiber der Einrichtung bekannt geworden ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, CR 2010, 458, 460 Rn. 24). Voraussetzung hierfür ist aber, dass die technische Einrichtung ohne die gebotenen Sicherungen dem öffentlichen Verkehr geöffnet wird und schon dadurch absolute Rechtsgüter Dritter gefährdet werden (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08). Es liegt hier ähnlich wie bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

Die Verkehrssicherungspflicht im Internet wird aber nicht schon durch die Bereitstellung einer Internet-Auktions- oder -Verkaufsplattform verletzt

(BGH, Urteil vom 12. Mai 2010, aaO, Rn. 24). Denn dabei werden die Inhalte nicht von dem Betreiber der Plattform, sondern von ihren Nutzern bereitgestellt. Dem Betreiber einer solchen Plattform ist es jedoch nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188, 202 f. Rn. 41). Eine dahingehende Pflicht würde ein solches Geschäftsmodell in Frage stellen (BGH, Urteil vom 11. März 2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f.). Dem entspricht die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 2 TMG, die eine entsprechende Verpflichtung ausschließt. Anders liegt es, wenn für den Betreiber eine Verletzung von absoluten Rechten – hier des Eigentums – oder andere Rechtsverstöße erkennbar sind. Dann muss er den konkreten Verstoß abstellen und eine Wiederholung verhindern (BGH, Urteile vom 11. März 2004 – I ZR 304/01, aaO S. 252 und vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, aaO S. 203 Rn. 43).“

Im vorliegenden Fall sei es schon zweifelhaft der Beklagten zu zumuten, aus den vier Millionen Bildern die etwa 1.000 Bilder von Gebäuden und Gärten der Klägerin ausfindig zu machen. Für diese sei es nicht ohne weiteres erkennbar, ob das Einstellen eines Fotos auch eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin darstelle, da es den Fotos gerade nicht anzusehen sei, ob das Foto mit oder ohne Erlaubnis der Klägerin entstanden sei.

Auch ein Einsatz von Filtersoftware oder vergleichbaren technischen Hilfsmittel, um anhand von optischen Merkmalen Verdachtsfälle aufzuspüren und diese dann manuell zu überprüfen, sei schon nicht angezeigt, da dies lediglich in den Fällen geboten sein kann, um die Wiederholung von erkennbar gewordenen Rechtsverletzung zu vermeiden. Dies setze jedoch das Vorliegen von ersten erkennbaren Rechtsverletzungen voraus. Ohnehin sei bei den Fotografien selbst mit technischen Mitteln nicht erkennbar, ob diese ungenehmigt aufgenommen wurden.

Damit scheide ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 1004 BGB sowie die anknüpfenden Folgeansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus.