Im vorliegenden Fall legte der Kläger Berufung gegen ein abweisendes Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 25.09.2009 – Az.: 31 C 2667/08-16 – ein und bekam Recht. In dem Berufungsverfahren begehrte er – wie bereits in der Klage vor dem Amtsgericht die Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.049,00 € nebst Zinsen von der Beklagten, die ihm zur Abwehr der Abmahnung des Beklagten entstanden sind.
Die Beklagte, welche Rechtsinhaberin eines urheberrechtlich geschützten Werkes ist, mahnte den Kläger außergerichtlich wegen des unberechtigten Uploads des Werkes ab.
Anmerkung: Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind in § 2 UrhG normiert.
§ 2 Geschützte Werke
(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2. Werke der Musik;
3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.
Der Kläger ist Betreiber eines Hotels, der seinen Gästen einen Internet-Zugang über ein drahtloses, sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes Netzwerk anbietet und diese zuvor auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hinweist.
Der streitbegründende Upload des Werkes erfolgte unstreitig weder durch den Kläger selbst noch durch dessen Angestellte.
Das Amtsgericht lehnte die Klage als unbegründet ab. Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sah die Abmahnung des Beklagten als zu Unrecht erfolgt an.
Eine Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer komme schon deshalb nicht in Betracht, weil weder er, noch seine Angestellten ein Werk der Beklagten auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer einer Tauschbörse bereitgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht noch solches unterstützt habe.
Auch eine Haftung des Klägers als Störer komme nicht Betracht. Als Störer haftet derjenige, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt. Dieser kann dann als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, jedoch nicht auf Schadensersatz.
Der Kläger jedoch habe seinen Gästen einen Internet-Zugang über ein drahtloses, sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes Netzwerk angeboten und diese zuvor auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hingewiesen. Dies sei ausreichend.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts sei die unbegründete Abmahnung wegen vermeintlicher Schutzrechtsverletzung rechtswidrig und stelle einen Eingriff in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, welcher auch schuldhaft erfolgte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Das Verschulden sei in der fahrlässigen Handlung der Beklagten zu sehen, da sie ohne die von ihr vorliegend zu erwartende Prüfung der Rechts- und insbesondere Sachlage den Kläger abmahnte.
Im Einzelnen führte das Berufungsgericht hierzu aus:
Nach ganz einhelliger Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2010, 633 ff., OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2008, 279 ff.; LG Düsseldorf vom 26.08.2009 zu Az. 12 O 594/07 zitiert nach JURIS; Rechtsprechungsüberblick bei Mühlberger GRUR 2009, 1022 ff.) kommt einer IP-Adresse keine mit einem „eBay”-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten Nutzer, sondern nur einem Anschlussinhaber zugeordnet, der grundsätzlich dazu berechtigt ist beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten. Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafür, den Anschluss-Inhaber im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (BGH, aaO).
Da der Kläger nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. oben) auch nicht per se für Rechtsverletzungen durch seine Gäste oder sonstige Dritte haftet, kann ohne nähere Kenntnis der Sachlage im konkreten Fall der Anschlussinhaber gerade nicht einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt werden, ohne dass sich der Bezichtigende zumindest Nachlässigkeit vorwerfen lassen musste. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Bezichtigten wie vorliegend um einen Betrieb (hier: Hotel) handelt, zu dessen Serviceleistungen es unproblematisch erkennbar gehört, Dritten (hier: Hotelgästen) den Zugang zum Internet via Funk-Netzwerk zu ermöglichen. In einem solchen Fall hätte die Beklagte als Rechtsinhaberin vor Abmahnung erst sichere Kenntnis der Sachlage verschaffen müssen und können.
Die Beklagte hätte vor dem Aussprechen einer Abmahnung eine sogenannte „Berechtigungsanfrage” stellen können und müssen. Sie hätte also unter Hinweis auf die ihr an dem Werk zustehenden Urheberrechte und den vermeintlichen Veröffentlichungstatbestand den Kläger zur Äußerung bzw. zur konkreten Darlegung seiner Berechtigung zur Vornahme der angegriffenen Handlung auffordern und so ohne Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die starke Unsicherheit über den Verletzungstatbestand beseitigen und erst wenn sich der Kläger als vermeintlicher Rechtsverletzer nicht geäußert hätte, danach unverschuldet eine Abmahnung aussprechen können.