OLG Köln Beschluss vom 27.04.2010 Az. 6 W 43/10
Vorinstanz LG Aachen, Az. 42 O 18/10

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Teilzurückweisung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte Erfolg. Das Landgericht ging davon aus, dass die Antragstellerin als Mitbewerberin gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, Abs. 1 und 2, 4 Nr. 11 UWG, § 312c Abs. 1 S. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV die Unterlassung einer falschen oder unzureichenden Belehrung der Verbraucher über ihr Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nach §§ 312d, 355 BGB beanspruchen kann.

Die Antragsgegnerin verwendete in § 3 S. 2 der „Widerrufs- oder Rückgabebelehrung” die Bestimmung „Kosmetik kann nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden” anknüpfend an die Wiederholung des Wortlauts des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB, wonach das Widerrufsrecht u.a. bei Verträgen zur Lieferung von Waren ausgeschlossen ist, die „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können.”. Dies sei nach Ansicht des Landgerichts ein misslungener Versuch einer Konkretisierung des auf Art. 6 Abs. 3 der Fernabsatzlinie 97/7/EG beruhenden Ausnahmetatbestandes, da diese Formulierung den Verbraucher im Unklaren lasse, ab wann bei Kosmetikprodukten sein Widerrufsrecht ausgeschlossen sei.

Im vorliegenden Fall wurde auf das Angebot von Gesichtscreme in einer Tube Bezug genommen. Hierbei hätte die Antragsgegnerin differenzieren müssen, ab wann eine Benutzung des Produkts gegeben sein sollte. Also, ob erst die Entnahme eines größeren oder kleineren Teils der Creme oder das bloße Öffnen der Tube oder die Entfernung einer Versiegelung oder bereits das Öffnen einer etwa vorhandenen Original-Umverpackung als Beginn der Benutzung des Produkts gelten soll, da aus der streitgegenständlichen Formulierung dies der Verbraucher nicht entnehmen könne.

Ohnehin ginge ein vollständiger Ausschluss des Widerrufsrechts für Kosmetikartikel nach dem Öffnen der Primärverpackung (Tube, Dose oder Flasche) oder anderen Benutzungshandlungen über die mit § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzte Regelung der Fernabsatzrichtlinie hinaus, da grundsätzlich dem Unternehmer im Fernabsatz das für ihn in der Regel mit wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Rücknahmerisiko zugewiesen ist und somit die Ausnahmevorschrift nicht in ein allgemeines Kriterium der Unzumutbarkeit des Widerrufs wegen erheblicher Verschlechterung der zurückgesandten Waren für den Unternehmer umgedeutet werden darf.

Der Nachteil für den Verbraucher, der Waren im Wege des Fernabsatzes kauft und somit keine Möglichkeit hat, das Produkt vor Abschluss des Vertrages unmittelbar zu sehen und zu prüfen, soll gerade durch das Widerrufsrecht ausgeglichen werden. Zwar stehen dem nationale Regelungen nicht entgegen, wonach der Verbraucher für eine Benutzung angemessenen Wertersatz zu zahlen hat, jedoch nur sofern die Benutzung der gelieferten Kosmetikartikel über den in Ladengeschäften möglichen und geduldeten Gebrauch solcher Waren hinausgeht. Daher führe eine generelle Begrenzung des Widerrufsrechts auf Kosmetik nur in einem unbenutzten Zustand zu einer Risikoverlagerung auf den Verbraucher, obwohl der Gesetzgeber für solche Fälle den Wertersatzanspruch vorsieht und so die Möglichkeit des Widerrufs gedanklich voraussetzt.

Geöffnete oder benutzte Kosmetikprodukte sind nicht „auf Grund ihrer Beschaffenheit” („by reason of their nature”) zur Rücksendung ungeeignet wie beispielsweise im Download vertriebene Dateien und schüttbare Güter wie Heizöl. Einer rückstandsfreien Rückgabe angebrochener Kosmetika steht auch insbesondere nicht der mit der Benutzung eingetretene Wertverlust entgegen, da auch nach der Rücksendung nicht der wesentliche wirtschaftliche Nutzen des Produkts beim Verbraucher verbleibt.

Auch das Argument der schnellen Verderblichkeit von angebrochenen Kosmetikprodukten führt zu keinem Widerrufsausschlussgrund, da Von einer objektiven Verderblichkeit und eine damit einhergehende Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Waren nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann. Selbst bei Arzneimitteln wird dies nicht einheitlich bewertet. Ein weiterer Ausschlussgrund lässt sich auch nicht aus dem Argument herleiten, dass der Verkäufer nach Rücksendung einer geöffneten Verpackung durch den Verbraucher Gefahr laufe, auf der zurückgegebenen Ware sitzen zu bleiben. Zudem konnte die Antragstellerin glaubhaft machen, dass durchaus ein Markt für „gebrauchte” Gesichtscreme existiert, vor allem im Bereich für Kosmetikartikel im Hochpreissektor.
Das Landgericht konnte nach Aktenlage somit nicht feststellen, dass beim streitgegenständlichen Kosmetikprodukt schon ein Herausdrücken geringer Teile von Creme aus der Tube oder das bloße Öffnen der Tube zum Verderb und zur völligen Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Waren führen muss.

Der von der Antragsgegnerin verwendete Belehrungstext in Bezug auf die Reichweite ihres Widerrufs- und Rückgaberechts ist somit unzutreffend oder zumindest in hohem Grade missverständlich und ist als Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten des Unternehmers seiner Art nach geeignet, die Verbraucher in ihren geschäftlichen Entscheidungen spürbar zu beeinflussen.